Der Ständerbau im Fachwerk ist eine traditionelle Bauweise, die besonders im Mittelalter weit verbreitet war. Sie ist gekennzeichnet durch die Verwendung langer, durchgehender Ständer, die vom Boden bis unter die Traufe reichen. Diese Methode bietet eine hohe Stabilität und Langlebigkeit, erfordert jedoch große Hölzer und aufwendige Verbindungen. Im Vergleich dazu ermöglicht der Stockwerksbau durch die Nutzung kürzerer Hölzer eine flexiblere und effizientere Bauweise. Regionale Unterschiede in Deutschland spiegeln die Anpassung an lokale Ressourcen und klimatische Bedingungen wider, was zu einer Vielfalt an Fachwerkstilen führte.
Gleichbedeutend für den Ständerbau wird in einigen Teilen Deutschlands auch der Begriff „Geschossbau“ verwendet.
Historische Entwicklung
Der Ständerbau hat seine Wurzeln in den frühesten Holzkonstruktionen und war im Mittelalter die vorherrschende Bauweise. Die Konstruktion ermöglichte es, stabile und langlebige Gebäude zu errichten, die jedoch auf große, durchgehende Hölzer angewiesen waren. Diese Ständer mussten tief im Boden verankert werden, um die notwendige Stabilität zu gewährleisten, was die Bauweise auf eingeschossige Gebäude oder solche mit wenigen Stockwerken beschränkte. Die Weiterentwicklung zum Stockwerksbau im späten Mittelalter ermöglichte die Überwindung dieser Einschränkungen, da kürzere Hölzer verwendet wurden, die die Errichtung mehrstöckiger Gebäude ermöglichten.
Bautechnische Unterschiede
Der Hauptunterschied zwischen Ständerbau und Stockwerksbau liegt in der Verwendung der Hölzer und der Konstruktionstechnik:
– Ständerbau: Verwendet lange, durchgehende Ständer, die vom Fundament bis zum Dachfirst reichen. Diese Ständer sind oft tief eingegraben, um die notwendige Stabilität zu bieten. Die Verbindungen zwischen den Hölzern erfolgen durch aufwendige Verzapfungen und Verblattungen, die biegesteife Knoten formen und somit die strukturelle Integrität des Gebäudes sichern.
– Stockwerksbau: Verwendet kürzere Hölzer, die auf die Höhe eines Stockwerks begrenzt sind. Die Konstruktion erfolgt in einzelnen Stockwerken, die übereinander gestapelt werden. Dies ermöglicht eine flexiblere Bauweise und die Nutzung von kürzeren, leichter zu handhabenden Hölzern. Verbindungen erfolgen hauptsächlich durch einfache Zapfenverbindungen und Blattsassen, was die Konstruktion erleichtert und weniger handwerkliches Können erfordert.
Ein weiterer technischer Unterschied ist die Auskragung der oberen Stockwerke im Stockwerksbau, die im Ständerbau nicht vorkommt. Diese Technik ermöglicht es, die obere Geschossfläche zu vergrößern und gleichzeitig die unteren Wände vor Regen zu schützen.
Regionale Besonderheiten in Deutschland
In Deutschland zeigen sich verschiedene regionale Ausprägungen des Ständerbaus, die durch lokale Materialien und klimatische Bedingungen beeinflusst wurden:
– Hessen: In Hessen wurden viele Fachwerkhäuser im Ständerbau aus Eichenholz errichtet, das in den umliegenden Wäldern reichlich vorhanden war. Die stabile Konstruktion der langen Ständer ermöglichte es, mehrgeschossige Gebäude mit dekorativen Elementen zu bauen.
– Niedersachsen: Besonders im niedersächsischen Raum ist der Ständerbau im sogenannten Hallenhaus verbreitet. Diese Bauweise zeichnet sich durch eine große, offene Dielenhalle aus, die von vier inneren Längsständern getragen wird. Diese Form des Ständerbaus wurde oft für Bauernhäuser genutzt, die sowohl Wohn- als auch Wirtschaftsgebäude waren.
– Baden-Württemberg: In dieser Region und der angrenzenden deutschsprachigen Schweiz wurde großer Wert auf die statische Festigkeit und Langlebigkeit der Konstruktionen gelegt. Die Techniken der Verzapfung und Verblattung wurden hier besonders detailliert ausgearbeitet, um stabile und langlebige Gebäude zu schaffen, auch wenn das verfügbare Bauholz weniger robust war.