Die Genauigkeitsstufen bauhistorischer Aufmaße sind essenziell für die Dokumentation und Erhaltung historischer Gebäude. Diese Stufen bestimmen den Grad der Detailliertheit und Präzision, die bei der Vermessung und Dokumentation eines Bauwerks angewendet wird. Es gibt vier Hauptgenauigkeitsstufen, die sich jeweils durch spezifische Ziele, Methoden und Maßstäbe auszeichnen. Die Wahl der geeigneten Genauigkeitsstufe hängt von der beabsichtigten Maßnahme und der Wertigkeit des Gebäudes ab.
Genauigkeitsstufe I: Schematisches Aufmaß
Diese Stufe dient der einfachen Dokumentation eines Gebäudes oder Bereichs. Das Ergebnis ist eine schematische, jedoch vollständige Darstellung, die hauptsächlich die Grundrissgliederung, Höhenentwicklung, Form und Außenerscheinung des Gebäudes umfasst. Diese Aufnahmen werden entweder direkt vor Ort oder anhand von Maßblattskizzen erstellt und nachbearbeitet. Bauschäden, Verwerfungen und Durchbiegungen werden nicht dargestellt. Die Dokumentation enthält die Außenabmessungen und lichten Raummaße, einschließlich Putz, sowie die Lage und Größe der Wandöffnungen, Geschoss- und Dachstuhlhöhen und die Wand- und Deckenstärken. Auch vereinfachte Darstellungen der Dachkonstruktion und des Sichtfachwerks sind enthalten. Der Maßstab für diese Art der Dokumentation ist üblicherweise 1:100.
Genauigkeitsstufe II: Annähernd wirklichkeitsgetreues Aufmaß
Diese Stufe geht einen Schritt weiter und liefert eine nahezu wirklichkeitsgetreue Dokumentation des Baubestands. Dabei wird das hauptsächliche konstruktive System sowie die architektonische Gestaltung und räumliche Einbindung festgelegt. Der Maßstab für diese Aufmaße ist in der Regel 1:50, kann aber in besonderen Fällen auch 1:100 sein, beispielsweise wenn Teile eines Gebäudes aufgrund schlechten Erhaltungszustands nicht begehbar sind. Alternativ kann ein Maßstab von 1:20 verwendet werden, wenn wichtige Details von Bauteilen oder Ausstattungsteilen dokumentiert werden müssen.
Die Dokumentation umfasst den konstruktiven Aufbau und sichtbare Verformungen, wie Deckendurchbiegungen, Fußbodengefälle und Wandneigungen. Außerdem werden Hinweise auf frühere Bauzustände gegeben. Zusätzlich zu den Inhalten der Genauigkeitsstufe I enthält diese Stufe die Konstruktion und Struktur der Wände, die Spannrichtungen der Deckenbalken und Ausbaudetails wie Türen und Fenster. Auch die Bezeichnungen von Baumaterialien und Konstruktionen sind enthalten.
Genauigkeitsstufe III: Verformungsgetreues Aufmaß
Bei dieser Stufe wird eine wirklichkeitsgetreue Dokumentation angestrebt, die alle Details des Bauwerks berücksichtigt. Diese Stufe ist besonders wichtig für Restaurierungs- und Umbauplanungen sowie für wissenschaftliche Bauforschung, statische Sicherung und planungsvorbereitende Bauzustandsanalysen. Der Maßstab beträgt üblicherweise 1:50, kann aber für wichtige Details auch auf 1:20 oder sogar 1:1 erweitert werden.
Alle Detailpunkte innerhalb und außerhalb des Gebäudes werden auf ein dreidimensionales Vermessungssystem bezogen. Grundrisse, Schnitte und Ansichten sind über Passpunkte und Netzkreuze aufeinander abgestimmt. Wenn erforderlich, werden gemessene Punkte eingetragen. Diese Stufe beinhaltet zusätzlich zu den Inhalten der Genauigkeitsstufe II die Konstruktion und Struktur der Wände, die Konstruktion und Untersicht der Decken, die Struktur und der Aufbau der Fußböden sowie Baufugen und Zimmermanns- und Steinmetzzeichen. Auch Hinweise auf frühere Bauzustände, wie vermauerte Wandöffnungen und nicht mehr genutzte Zimmermannsdetails, werden dokumentiert. Ggf. werden Detailzeichnungen einzelner Konstruktionen oder Ausbauten sowie eine Beschreibung des Baumaterials und der Konstruktion beigefügt.
Genauigkeitsstufe IV: Verformungsgetreues Aufmaß mit detaillierter Darstellung
Diese höchste Genauigkeitsstufe bietet eine umfassende und detaillierte Dokumentation des Baubestands, die alle bauhistorischen Spuren und komplexen Bauentwicklungen wiedergibt. Sie ist unerlässlich für wissenschaftliche Bauforschung, statische Sicherung und planungsvorbereitende Bauzustandsanalysen, insbesondere bei komplizierten Umbauten, Translozierungen und Rekonstruktionen. Der Maßstab beträgt in der Regel 1:25 oder größer, um eine exakte und verformungsgetreue Darstellung zu gewährleisten.
Über die Inhalte der Genauigkeitsstufe III hinausgehend, umfasst diese Stufe zusätzliche Details wie Verzapfungs- und Überblattungsnegative, Holznägel, Streifennuten und Beschlaglöcher. Details, die im Verlauf des Abbruchs sichtbar werden, werden ebenfalls nachgetragen. Die Darstellung umfasst auch detaillierte Darstellungen von Fenstern, Türen und anderen Ausbaudetails.